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Presse

Schwabmünchner Allgemeine am 05.05.2022, verfasst von Petra Manz

Donaukurier am 06.02.2022, verfasst von Karl Leitner

Das Nico Weber Kwartett begeistert im Birdland


Er habe die wegen Corona konzertfreie Zeit genutzt und viel komponiert, sagt der Trompeter Nico Weber. Und nun sei er ganz begierig darauf, zu erfahren, wie das Ergebnis denn nun live klinge und welche Resonanz es beim Publikum hervorrufe.

Und so steht er also zusammen mit dem Pianisten Maxim Burtsev, dem Kontrabassisten Jakob Jäger und dem Schlagzeuger Pascal Haas auf der Bühne des Neuburger Birdland Jazzclubs und wagt mit seinem Nico Weber Kwartett quasi den Stapellauf aus dem Trockendock.

Zuerst ist die junge Band, die sich an der Hochschule für Musik und Theater in München zusammengefunden hat, hauptsächlich noch mit den Strukturen der jeweiligen Kompositionen beschäftigt. Viel ist vorgegeben, festgelegt, das meiste straff organisiert.

Bereits hier offenbart sich eine gewisse Handschrift, entwickeln sich diese griffigen Melodien, die man durchaus als kompositorische Fußabdrücke bezeichnen könnte. Steht bei Stücken wie „Weimar“ und „Look, They Destroy Themselves“ noch deren Organisation im Fokus, spielt sich die Band mit „Anticipation“ Mitte des erstens Sets so richtig frei. Jetzt lässt sie sich selbst von der Leine, füllt den vorgegebenen Rahmen mit Leben. Und nachdem ihr gleich anschließend mit „Dolphin Dance“ eine ganz tolle Herbie Hancock-Adaption gelingt, scheint nun die anfangs vielleicht noch vorhandene Nervosität wie weggeblasen. Jetzt hat die Band endgültig mehrere Handbreit Wasser unter dem Kiel.

Nach der Halbzeitpause geht’s weiter mit „Sail Away“ von Tom Harrell, dessen Foto gleich rechts neben der Bühne an der Wand hängt, und dem vermutlich eindringlichsten Stück des Abends, das Weber schlicht mit „Requiem“ betitelt und all jenen gewidmet hat, die ihre Heimat und ihre Menschenwürde verloren haben. Nach der Bearbeitung von Maurice Ravel’s „Pavane Pour Une Infante Défunte“, das die balladesken Möglichkeiten der Band aufzeigt, wird’s am Ende sogar noch politisch, zumindest was den Titel des Stücks „Boris On His Pentatonic Tricycle“ angeht. Denn mit Boris ist ausdrücklich der britische Premier gemeint, den sich wohl manch einer tatsächlich eher auf dem Dreirad auf dem Kinderspielplatz vorstellen kann als auf der Weltbühne.

Nico Weber ist auf vielerlei unterschiedlichen musikalischen Feldern unterwegs, komponiert und arrangiert für Big Bands, arbeitet mit diversen Gruppierungen innerhalb seiner Universität, ist mit der Indie-Popband Stray Colors zu hören. Wie er in einigen Jahren klingen wird, weiß mit Sicherheit heute niemand.

Sollte er freilich an dieser Band in dieser Besetzung festhalten, wäre das eindeutig ein Glücksfall für die junge Jazzszene hierzulande. Denn im Konzept der Formation sind so viele tolle Ideen erkennbar, liegen so viel Begeisterung und Witz, so viel Gespür für einen eigenen Ausdruck und auch so viel Potenzial, dass in Zukunft einiges zu erwarten ist. Ja, es wäre in der Tat schön, diese Band bei Gelegenheit erneut im Birdland begrüßen zu können. Man will ja schließlich wissen, was aus Weber und seinem „Kwartett“ geworden ist.

04.02.2022 in der Neuburger Rundschau, verfasst von Dr. Tobias Böcker

„Nico Weber Kwartett“ in Neuburg: Es lohnt sich, den Jungen zuzuhören

»Jazz lives« – Besonders deutlich wird das Motto des Clubs, wenn eine Nachwuchsband mit erkennbarem Potential die Bühne des Birdland betritt und die Herzen des Publikums erobert. Mit dem Nico Weber Kwartett bestätigte sich einmal mehr, dass es lohnt den Jungen zuzuhören.

Der Einstieg in mittlerem Tempo war getragen von zunächst leiser Melancholie und verhangener Stimmung. Im Hintergrund gab das Schlagzeug den Puls vor, wie der Bass noch mit verhaltenen Akzenten, während die Trompete des Bandleaders in verhangenem Ton der Erinnerung an »eine wichtige Person« in »Weimar« nachhing. Die zu Beginn also noch erkennbaren Suchbewegungen der Band führten rasch zueinander, spätestens bei »Look They Destroy Themselves«, der dystopischen musikalischen Erzählung von zwei Außerirdischen, die dem Treiben der Menschheit auf unserem Planeten zusehen. In fast schon filmmusikalischem Erzählgestus beschworen Klangflächen von wüstenähnlicher Weite die karge Verlassenheit, auf die unsere Welt zuzusteuern droht, wenn wir nicht alle beginnen, die Richtung zu ändern und in heiterer Genügsamkeit einzuschwingen in den leichten Tanz der Elemente.

Das »Kwartett« (!) aus Nico Weber an der Trompete, Jakob Jäger am Bass, Pascal Haas am Schlagzeug und – herausragend – Maxim Burtsev am Flügel bezieht sich einerseits auf die Tradition des Jazz vor allem der Fünfziger, changiert stilistisch zwischen Anregungen aus dem Hardbop und dem Cool Jazz, adaptiert sogar eine Pavane von Maurice Ravel, erzählt andererseits in komplexen, mal kraftvollen, mal sensiblen Kompositionen die eigenen Geschichten aus unserer Zeit und nimmt Bezug auf aktuelle Themen wie Klimawandel, Migration und Populismus.

Bald war im Birdland die Nervosität der Lust am Spiel gewichen, in wuchtigem Gestus erklang mit »Anticipation« ein Stück über die Vorfreude auf was immer kommen mag, unterstrichen von einem quirligen Pianosolo, das mit vielen Wassern gewaschen aufhorchen ließ und auch den ehrwürdigen Bösendorfer Flügel in freudigen Glanz versetzte.

Herbie Hancocks »Dolphin Dance«, der Standard, der am Anfang der Bandgeschichte stand, schweißte das Kwartett an diesem Abend dann vollständig zusammen in lockerem Groove und elastischer Souveränität, die der Band dauerhaft stabile Souveränität gaben für den weiteren verlauf eines bemerkenswert reifen Konzerts.

Auf dem Sprung von der Lehr- zu den Wanderjahren hat Corona so manchem Millenial ein Bein gestellt. Nico Weber, Maxim Burtsev, Jakob Jäger und Pascal Haas haben sich sichtlich nicht aus der Bahn bringen und entmutigen lassen. Gut so, denn die Jungen sind es, die die Fackel weitertragen und dem Jazz immer wieder das Leben geben.